From the new exile to the old one: Letters from Bruno Taut to Isaburo Ueno
The German architect and urban planner Bruno Taut had come to Turkey from his first exile in Japan in 1935 as the head of the architecture department of the Istanbul Academy of Arts and as the head of the architecture office at the Turkish Ministry of Culture. He lived in Turkey until his untimely death in 1938. In his letters to his Japanese friend and colleague Isaburo Ueno, he expresses his longing for his first place of exile and reflects on his personal and professional experiences in Istanbul.
29.11.1936
Mein lieber Isaburo, 11Isaburo Ueno (1892–1972) war ein japanischer Architekt und Gründungsmitglied der International Architecture Society Japan. Zwischenzeitlich lebte und arbeitete er in Österreich, wo er auch seine Frau, die Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967) kennenlernte. Das Paar freundete sich bei der gemeinsamen Arbeit mit Bruno Taut an, als dieser im japanischen Exil lebte.
dank für Ihre 2 lieben Briefe. Sie stehen mir so nahe, dass ich mit Ihnen oft spreche. Schreiben an Sie ist zu dumm. Aber es geht nicht anders.
Gleich bei Ihren Briefen fühle ich Ihre Nöte. […]
Aber ich sitze hier im Hotel, bald in unserem hübschen Haus, sonst am Tage in meinem Saal in der Akademie. Wenn sie da hineinkommen, so sehen Sie hinter 6 Riesenfenstern das Marmarameer, als wenn die Wellen hineinschlagen könnten, die Boote, Kormorane, Möwen, und ich sehe von meinem Platz die Hagia Sophia 22Die Hagia Sophia ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Istanbuls. Sie wurde zwischen 532 bis 537 n. Chr. als byzantinische Kirche erbaut. Seit der osmanischen Eroberung der Stadt 1453 bis 1935 – und wieder seit 2020 – wurde und wird sie als Moschee genutzt. Von 1935 bis 2020 diente sie als Museum. [kleine Zeichnung einer Moschee-Szenerie]
Wie die Boote draussen, so schwimmen meine Möbel in dem Saal, und so schwimme ich in meinem Amt. Bis jetzt habe ich mich nur informiert, jetzt endlich weiss ich ein Programm. Und übermorgen fahren wir nach Ankara, zum Minister, um so manches Unklare zu klären. Ich habe 3 Funktionen: 1) Professor, 2) Leiter der ziemlich großen Architekturabteilung, 3) Leiter des dort befindlichen Baubüros des Unterrichtsministeriums. Die Schwierigkeiten erhöhen sich mit 1:2:3, d.h. 1 sehr leicht und 3 sehr schwer. Doch ich kann noch nichts Bestimmtes sagen. – / Sonst, Lieber, liegt uns Japan so sehr im Blut. Die menschliche Wärme gibt es hier nicht. Das muss man hinnehmen. Hier war kein Isaburo auf dem Dampfer – durch Zufall kamen unsere Telegramme nicht an. Aber es war das herrlichste Wetter, wärmer als Japan, und dann alles sehr nett, vor allem der liebe feine Wagner. 33Martin Wagner (1885-1957), Stadtbaurat von Berlin und Kollege Tauts, seit 1935 als städtebaulicher Berater der Stadt Istanbul in der Türkei, wo er Taut als weiteren Experten für Architektur und Städtebau empfahl. Dass der mit der Astrologie wie Isaburo mit Buddha, das macht fast gar nichts, doch – ein bisschen.
Dies soll heute raus. Deshalb genug. Mihara soll Ihnen meinen Brief zeigen […]. Man kann nicht immer dasselbe schreiben.
Gruss an alle ALLE! Bruno + Erica
6.11.1937
Lieber Isaburo,
Wenn Sie diesen Brief erhalten, wird wohl Momiji in Shorin-zan 44Ein japanischer Tempel. in schönster Pracht sein. Trinken Sie gut gewärmten Sakke 55Japanischer Reiswein. mit Hirose–san, auch auf mein Wohl.
Schade, ich möchte eigentlich da gerade jetzt mal so ein bisschen mit Ihnen herumgehen und ‚philosophieren‘. Ich glaube, wir haetten uns jetzt so manche Gedanken mitzuteilen.
Wie geht es Ihnen eigentlich? Ihr letzter Brief war so melancholisch. Hoffentlich – hoffentlich. – –
[…]
Ich habe schrecklich viel zu tun. Von meinen Projekten und Bauten schrieb ich Ihnen schon einmal. Jetzt wird der grosse Bau für die Universitaet in Ankara angefangen. Da das als Sprachen-, Geschichtsinstitut usw. sozusagen das Zentrum der neuen türkischen Kultur sein wird, so hat man für die Architektur sehr schönes Steinmaterial genehmigt und, was mich besonders freut, mir künstlerisch vollstaendige Freiheit gegeben. Die Einzelheiten dieser Sache arbeite ich mit meinen Mitarbeitern etwa so aus, wie man die Noten einer Symphonie mit den verschiedene Instrumenten usw. aufschreibt. Das wird nicht ‚kübik‘ (cubique), das ist hier der Ausdruck für Modernismus. Ich verarbeite dabei sogar verschiedene türkische Motive. Augenblicklich macht mir die Akademie den grössten Kummer, d.h. eigentlich nicht mehr, weil ich die Sache mit Humor ansehe und – wie ich denke – über den ersten Anstoss hinweg bin. Es ist aber keine Kleinigkeit und am Ende würden Sie in dieser Situation ebenso wie ich manchmal einen sehr dicken und heissen Kopf haben. Schade, dass Sie nicht hier sind.
Lizzi 66Vermutlich Uenos Frau, Felice Rix-Ueno (1893–1967). treibt sich quietschvergnügt jetzt in Frankreich herum. Was sagen Sie? Macht ja nix.
Alles Gute. Gruss von Erica, auch von Clarissa, auch von Liesel, der entzückenden Schreiberin dieser Zeilen.
Alle guten Grüsse und Wünsche
Ihr Bruno
09.08.1938
Lieber Isaburo,
Dank für Ihren Brief, den melancholischen. Ja, Sie haben es gewiss schwer und sitzen in der Klemme. Aber wer sitzt nicht drin? Mehr oder weniger jedem geht es so. Oft vergoldet man das Vergangene in der Erinnerung. Manchmal ist es auch mir zum Verzweifeln. Dann hole ich aus dem Gedächtnis die besten Zeiten heraus und sehe sie ganz nichtern an. Und dann kommt das Hässliche von damals ins Gedächtnis und – die Gegenwart erscheint besser.
Ich will auf Ihren Brief nun nicht ein Lied von meinen Klagen und Lasten singen. Lizzi, die jetzt hier ist, würde es in ihrer Begeisterung für, ja wofür? Einfach komisch finden. Sie schimpft schon auf die Türken, hält Wien für garnicht schlampig, und sagt doch so oft: ent-zük-keeend!
[…]
Ja, es überall verflucht schwer, Heimat gibt es heute für keinen Menschen auf dieser Erde.
Gotama Buddha: „Eure einzige Zuflucht liegt in Euch selbst, es gibt keine andere.“
Das ist wieder ganz aktuell. Für mich gilt weiter: Wo ist die Heimat? – Antwort: Bauen.
Wo ist das Glück? –Antwort: Bauen.‘ (Scheerbart)
Soviel für heute. Lizzi soll Ihnen Tage- und Nächtelang erzählen.
Alle guten Grüsse von uns Allen!
Bruno
Footnotes
1Isaburo Ueno (1892–1972) war ein japanischer Architekt und Gründungsmitglied der International Architecture Society Japan. Zwischenzeitlich lebte und arbeitete er in Österreich, wo er auch seine Frau, die Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967) kennenlernte. Das Paar freundete sich bei der gemeinsamen Arbeit mit Bruno Taut an, als dieser im japanischen Exil lebte.
2Die Hagia Sophia ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Istanbuls. Sie wurde zwischen 532 bis 537 n. Chr. als byzantinische Kirche erbaut. Seit der osmanischen Eroberung der Stadt 1453 bis 1935 – und wieder seit 2020 – wurde und wird sie als Moschee genutzt. Von 1935 bis 2020 diente sie als Museum.
3Martin Wagner (1885-1957), Stadtbaurat von Berlin und Kollege Tauts, seit 1935 als städtebaulicher Berater der Stadt Istanbul in der Türkei, wo er Taut als weiteren Experten für Architektur und Städtebau empfahl.
My dear Isaburo, 11Isaburo Ueno (1892-1972) was a Japanese architect and founding member of the International Architecture Society Japan. In the meantime he lived and worked in Austria, where he also met his wife, the artist Felice Rix-Ueno (1893-1967). The couple became friends with Bruno Taut while working together with him when the latter was living in exile in Japan.
thanks for your 2 dear letters. You are so close to me that I talk to you often. Writing to you is too stupid. But there is no other way.
Right from your letters I feel your hardships. […]
But I am sitting here in the hotel, soon in our nice house, otherwise during the day in my hall in the academy. If you come in there, you see behind 6 giant windows the Sea of Marmara, as if the waves could crash in, the boats, cormorants, seagulls, and I see from my place the Hagia Sophia 22Hagia Sophia is one of the most important sights of Istanbul. It was built between 532 to 537 AD as a Byzantine church. Since the Ottoman conquest of the city in 1453 until 1935 – and again since 2020 – it was and is used as a mosque. From 1935 to 2020 it served as a museum.
[small drawing of a mosque scene]
Like the boats outside, so my furniture swims in the hall, and so I swim in my office. Until now I have only informed myself, now finally I know a program. And the day after tomorrow we will go to Ankara, to the minister, to clarify some unclear things. I have 3 functions: 1) professor, 2) head of the rather large architecture department, 3) head of the construction office of the Ministry of Education located there. The difficulties increase with 1:2:3, i.e. 1 very easy and 3 very difficult. But I cannot say anything definite yet. – / Otherwise, dear, Japan is so much in our blood. There is no human warmth here. You have to accept that. There was no Isaburo on the steamer here – by chance our telegrams did not arrive. But it was the most marvelous weather, warmer than Japan, and then everything very nice, especially dear fine Wagner. 33Martin Wagner (1885-1957), city architect of Berlin and colleague of Bruno Taut, since 1935, urban planning advisor to the city of Istanbul in Turkey where he recommended to bring Taut to the country as well. That he is with astrology like Isaburo with Buddha, that does almost nothing, or yes – a little.
This should go out today. Therefore enough. Mihara should show you my letter […]. One cannot always write the same thing.
Greetings to ALL! Bruno + Erica––
06.11.1937
Dear Isaburo,
By the time you receive this letter, Momiji in Shorin-zan 44A temple in Japan. in the most beautiful splendor. Drink well warmed Sakke 55Japanese Rice wine. with Hirose – san, also to my health.
It’s a pity, I would like to walk around with you right now and ‘philosophize’. I think we would have some thoughts to share with each other.
How are you actually doing? Your last letter was so melancholic. Hopefully – hopefully. – –
[…]
I have an awful lot to do. I have already written to you about my projects and buildings. Now the big construction for the university in Ankara is started. Since this will be the center of the new Turkish culture, so to speak, as an institute of languages, history, etc., very beautiful stone material has been approved for the architecture and, what makes me especially happy, I have been given complete artistic freedom. I am working out the details of this thing with my co-workers in the same way as one writes down the notes of a symphony with the different instruments etc. This will not be ‘kübik’ (cubique), which is the expression for modernism here. I even use different Turkish motifs. At the moment, the academy gives me the most grief, i.e. actually not anymore, because I look at the matter with humor and – as I think – I am over the first impulse. However, it is not a small thing and in the end you would sometimes have a very thick and hot head in this situation as I do. Too bad you’re not here.
Lizzi 66Probably Ueno’s wife, Felice Rix-Ueno (1893–1967). is now hanging around bouncily in France. What do you say? Never mind.
All the best. Greetings from Erica, also from Clarissa, also from Liesel, the delightful writer of these lines.
All good wishes and greetings
Yours, Bruno
09.08.1938
Dear Isaburo,
Thank you for your letter, the melancholic one. Yes, you certainly have a hard time and are in a fix. But who is not in it? More or less everyone is like that. Often one gilds the past in the memory. Sometimes it makes me despair, too. Then I take the best times out of my memory and look at them from a completely different angle. And then the ugliness of that time comes to mind and – the present seems better.
I don’t want to sing a song of my complaints and burdens in response to your letter. Lizzi, who is here now, would find it in her enthusiasm for, yes for what? Simply find it funny. She already rails against the Turks, thinks Vienna is not at all slovenly, and yet so often says: ent-zük-keeend [de-light-ful]!
Yes, it is cursedly difficult everywhere, home does not exist for anyone on this earth today.
Gotama Buddha: “Your only refuge is in yourselves, there is no other.”
That’s very topical again. For me it is still valid: Where is the homeland? -Answer: Building.
Where is happiness? -Answer: Building.’ (Scheerbart)
So much for today. Lizzi shall tell you for days and nights.
All the best from all of us!
Bruno
Footnotes
1Isaburo Ueno (1892-1972) was a Japanese architect and founding member of the International Architecture Society Japan. In the meantime he lived and worked in Austria, where he also met his wife, the artist Felice Rix-Ueno (1893-1967). The couple became friends with Bruno Taut while working together with him when the latter was living in exile in Japan.
2Hagia Sophia is one of the most important sights of Istanbul. It was built between 532 to 537 AD as a Byzantine church. Since the Ottoman conquest of the city in 1453 until 1935 – and again since 2020 – it was and is used as a mosque. From 1935 to 2020 it served as a museum.
3Martin Wagner (1885-1957), city architect of Berlin and colleague of Bruno Taut, since 1935, urban planning advisor to the city of Istanbul in Turkey where he recommended to bring Taut to the country as well.
Bruno Taut (1880‑1938) was a well-known German architect and urban planner who represented the Neues Bauen (New Building) school. Having already become successful and well-known in Germany, among others by several large housing estates in Berlin and by becoming a professor at the Technical University of Berlin-Charlottenburg in 1931, in 1933, he and his partner Erica Wittich had to flee from the National Socialists to Japan, where he worked as an advisor at the State Teaching Trade Institute Kogei Shidosho in Sendai until 1934 ‑ a time that he experienced as very fruitful and formative.
Through the mediation of his colleague Martin Wagner, former city architect of Berlin and, since 1935, urban planning advisor to the city of Istanbul in Turkey, Taut came to Turkey in 1936, where he was to lead the modernization of Turkish architecture as head of the architecture faculty at the Academy of Arts in Istanbul and as head of the construction office of the Ministry of Culture, in which he was mainly responsible for school and university construction. The recruitment of German architects was part of the Turkish modernization program. 11See: Burcu Doğramacı (2016): Kollegen und Konkurrenten: Deutschsprachige Architekten und Künstler an der Akademie der schönen Künste in Istanbul. In: Kubaseck, Christopher; Seufert, Günter (Hrsg.): Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil : die Wissenschaftsmigration in die Türkei 1933 – 1945. Istanbuler Texte und Studien, Bd. 12. Würzburg: Ergon. S. 135-156.
Bruno Taut’s time in Istanbul until his early death from asthma in December 1938 was marked by a great deal of work: against some resistance, Taut tried – as professor and administrative director of the institute – to reform architectural education with a stronger practical orientation. He placed hopes in the potential of young Turkish architects and the modernist spirit in the young republic to find and implement a new architectural style. In his own architectural projects, including many school and university buildings, he enjoyed the artistic freedom granted to him. In addition, his writing on the “Theory of Architecture”, which he had already begun in Japan, was published in Turkish. After Atatürk’s 22Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938) founded the Republic of Turkey, which emerged from the collapsed Ottoman Empire after World War I, and was its first president from 1923 to 1938. Until today, he is admired as a symbolic figure of Turkish national self-assertion with a strong and mostly uncritical personality cult. He is best known for the uncompromising modernization course with which he led the young Turkish republic: As a path to modernization, he proclaimed a radical laicization and Europeanization of the state. death, Taut was commissioned to design his catafalque. As the only foreigner and non-Muslim until then, Taut was buried in the Turkish state cemetery in Edirnekapı, Istanbul.
In his letters to Japanese colleagues and friends, Taut’s longing for his first place of exile, Japan, with which he continued to feel connected even while living in Istanbul, becomes evident. The letters ramble from personal information and inquiries, to the uniting thoughts on reforms in architecture and professional successes, to descriptions of the urban and natural scenery in Istanbul.
Isaburo Ueno (1892-1972) was a Japanese architect and founding member of the International Architecture Society Japan. In between, he lived and worked in Austria, where he also met his wife, the artist Felice Rix-Ueno (1893-1967). The couple became friends while working together with Bruno Taut when the latter was living in exile in Japan.
Footnotes
1See: Burcu Doğramacı (2016): Kollegen und Konkurrenten: Deutschsprachige Architekten und Künstler an der Akademie der schönen Künste in Istanbul. In: Kubaseck, Christopher; Seufert, Günter (Hrsg.): Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil : die Wissenschaftsmigration in die Türkei 1933 – 1945. Istanbuler Texte und Studien, Bd. 12. Würzburg: Ergon. S. 135-156.
2Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938) founded the Republic of Turkey, which emerged from the collapsed Ottoman Empire after World War I, and was its first president from 1923 to 1938. Until today, he is admired as a symbolic figure of Turkish national self-assertion with a strong and mostly uncritical personality cult. He is best known for the uncompromising modernization course with which he led the young Turkish republic: As a path to modernization, he proclaimed a radical laicization and Europeanization of the state.
Akademie der Künste (Academy of Arts), Berlin, Bruno-Taut-Sammlung, (Bruno-Taut-Collection),
Special thanks to Martina Krickel for her support in researching the material and background information in the Taut Collection of the Berlin Academy of Arts.